Der Prignitzer vom 07.07.2019
Sommerdampftage im Lokschuppen: Mit Dampf und Muskelkraft
Im Historischen Lokschuppen Wittenberge erwacht Eisenbahnromantik zum Leben.
von Ronald UferWittenberge Dampflokführer zu werden ist ein inzwischen fast ausgestorbener Kindertraum. Schließlich sind die qualmenden Riesen von den Gleisen so gut wie verschwunden. Aber erloschen ist die Faszination dieser Schienenoldtimer noch nicht. Ob die kleine Werkbahnlok Emma oder die große 50 35 70 4, als sich am Sonnabend bei den Sommerdampftagen die Fahrstände für Mitfahrten öffnen, klettern nicht nur ältere Herren hinein. Auch Frauen und Kinder entern die Lokomotiven, um ein Stück mitzufahren. Und wo sonst saubere Luft als höchstes Gut gepriesen wird, werden die dicken Qualmwolken begeistert aufgenommen.
Nicht alle bleiben Schaulustige
Andere zieht es in den Lokschuppen, wo es auch ungewohnte Einblicke in die Technik und auf Instandhaltungsarbeiten gibt. Andere schlendern durch die Waggons des Katastrophenzuges der Deutschen Reichsbahn, der sogar über Operationsmöglichkeiten verfügte.
Aber nicht alle bleiben Schaulustige. Gleich am Eingang wartet eine Handhebeldraisine von 1910. Die erste Hälfte ihrer Tour wird im Schlepp eines Schienen-Trabbis von 1965 absolviert, der Rückweg per Muskelkraft zurückgelegt. „Das ist weniger anstrengend, als es aussieht“, meint Vereinsmitglied Guido Huwe, der am Sonnabend als Conductor fungiert. „15 Stundenkilometer schaffen wir hier heute. Tempo 30 ist möglich. Und wir sind schon 72 Kilometer an einem Tag gefahren.“ Dennoch nimmt der eine oder andere lieber im Schienenauto Platz.
Schmunzelnd verfolgt Klaus-Peter Müller, Mitbegründer des Vereins Dampflokfreunde Salzwedel, der seinen Sitz im Historischen Lokschuppen Wittenberge hat, das Gedränge. Wenn er nicht gerade die Drehscheibe bedient und Loks, die aus der Halle kommen, Zugang zu den Gleisanlagen verschafft. „Wir haben in den vergangenen Monaten alle Lokomotiven durch die technische Überprüfung gebracht. Damit haben wir in diesem Bereich für acht Jahre Ruhe, können fahren und solche Präsentationen gestalten“, erläutert Müller. Sechs Lokführer und vier Heizer haben die entsprechenden Prüfungen bestanden und stehen für diese Aufgaben bereit.
Dampflokfreunde haben einiges zu tun
In den nächsten Monaten werden sich die Dampflokfreunde neben dem Betrieb des größten Eisenbahnmuseums Brandenburgs Restaurierungen widmen. So steht in einer Halle der Transportwaggon, mit dem die Autos des ehemaligen Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht zu dessen Auftritten befördert wurden. Auch später transportierte der Waggon Regierungsfahrzeuge. Und auf den Gleisanlagen steht ein unauffälliger brauner Waggon. Der Ende des 19. Jahrhunderts entstandene Güterwagen wird überholt und neu beplankt.
Vereinsmitglieder denken zudem über neue Exponate nach. So will Müller bis Herbst seine Schmalspurlok mit 700 Millimeter Spurweite nach Wittenberge holen. Parallel laufen Vorbereitungen für das 25-jährige Vereinsjubiläum, das im Oktober in Wittenberge ansteht.
Dann könnten auch die Arbeiten zur Instandsetzung des maroden Lokschuppens 1 beginnen. „Wir beginnen in den nächsten Tagen mit der Erarbeitung der Ausschreibung für das Projekt“, sagt der stellvertretende Vereinsvorsitzende Dennis Kathke. „Wenn alles gut läuft, gehen die Arbeiten in einem Vierteljahr los und sind im Mai 2020 abgeschlossen.“
Dabei gehe es zunächst um das Dach und die Ausbesserung der Mauerkrone, sagt Vereinsvorsitzende Doris Müller. „Dann folgt noch der Innenausbau und wir müssen die bereitstehende Drehscheibe installieren, damit die dort künftig stehenden Kleinlokomotiven auf die Gleisanlagen gelangen.“
Der Führerstand der großen 50 35 70 4 war der Sehnsuchtsort vieler Besucher. |
Einmal selbst über die Gleise fahren, die Handhebeldraisine macht es möglich. |
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